"Allerhand auf Immenhof"

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Andrea1984
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Kapitel 451

Beitrag von Andrea1984 »

Dick holte ihre Lesebrille und vertiefte sich dann in den Inhalt des Umschlages. Ein schlichter Brief.
Eine Zeitlang war nur das Ticken des Küchenweckers zu hören, den Dick nicht abgestellt hatte.
„Wie kommt Dalli dazu …“
„Zu was?“
„Diese Idee ist doch sicher alleine auf ihrem Mist gewachsen.“
Billy nahm den Brief wieder auf: „Wir können nichts mehr machen. Dalli hat alles schon in die Wege geleitet.“
„Darf ich den Brief noch einmal haben? Ich kann es nicht fassen.“

In diesem Brief stand es schwarz auf weiß: „Ihre Verlobung geben bekannt: Ralf Schüller jun.und Henrietta Arkens. Die Hochzeit findet am 06. 03. 1994 auf dem Immenhof im kleinsten Kreis statt.“
„Eine Verlobung heißt nicht automatisch, dass beide gleich heiraten müssen.“, brachte Billy vor.
„Wie hat Dalli ihre Tochter nur so unter Druck gesetzt? Und was hat Dalli mit Rafe getan?“
„Das weiß ich nicht. Heinrich hat mir gestern davon erzählt, der es wiederum von Ethelbert weiß.“
„Dalli glaubt nun, dass sie durch diese Aktion wieder auf den Immenhof zurückkehren kann. Aber da hat sie sich geirrt und wie. Ich werde einen Weg finden, diese Hochzeit zu verhindern. Und wenn ich vor das höchste Gericht gehen muss.“
„Henny ist doch ein nettes Mädchen und gut erzogen.“
„Das ist nicht der Punkt. Offenbar sind weder Rafe noch sie in diesem Fall gefragt, sondern einfach überrumpelt worden. Rafe bevorzugt eher taffe und mutige Frauen. Anna ist so ein Typ. Bei Henny würde er auf keinen Widerstand stoßen, da sie daran gewöhnt ist, Respektspersonen zu gehorchen.“
„Mit Chrissy hätte es Rafe deutlich schwerer, aber sie steht in der Erbfolge zu weit hinten und ist außerdem noch nicht volljährig.“

Dick griff zum Telephon, obwohl es schon spät war, um erst Ralf und dann Ethelbert anzurufen. Ralf versprach, er wolle um 23.00 Uhr nach Hause kommen, dann könne er sich alles in Ruhe anhören. Das Gespräch mit Ethelbert dauerte deutlich länger. In diesem erfuhr Dick, dass Rafe Henny tatsächlich aus freien Stücken gefragt und sie ebenso deutlich „Ja“ gesagt habe. Derzeit weile das junge Paar in Eltville, wo Rafe auch den Antrag gestellt hatte und werde erst zu Weihnachten auf den Immenhof zurückkehren. Wie Dick aus dem Gesprächsverlauf erfuhr, war Ethelbert auch nicht mit dieser Idee einverstanden und meinte, dass Rafe zu unreif sei, um eine Ehe eingehen zu können.

Dick schöpfte Hoffung, musste diese jedoch bald wieder fallen lassen. Physisch und psychisch war bei Rafe und Henny alles in Ordnung. Es gäbe keinen Grund, die beiden nicht heiraten zu lassen. Sie seien zwar verwandt, aber das wäre ja kein Hindernis. Dick brauchte einige Zeit, um sich zu beruhigen. In dieser Nacht tat sie kaum ein Auge zu, während Billy seelenruhig zu schlafen schien. Erst am nächsten Tag, nach dem Frühstück, reiste Billy wieder ab, da sie Heinrich und die Kinder nicht so lange alleine lassen wollte. Dick brachte Billy zur Bahn und ging dann in die Firma, wo viel Arbeit auf sie wartete. An diesem Tag konnte sich Dick kaum konzentrieren, da sie mit ihren Gedanken bei Rafe und Henny war. Selbst das Rauchen einer Zigarette nach der anderen half nichts.

Zwischen Weihnachten und Neujahr war Betriebsurlaub. Dick und Ralf reisten daher nach Malente, um sich auf dem Immenhof zu entspannen. Dick beim Reiten und Ralf beim Zeichnen. Dick freute sich sehr darüber, Billy und Bobby und deren Familien wiederzusehen. Natürlich Alexander auch, immerhin war er ja der Gastgeber. Während die Kinder im Garten herumtobten, plauderten die Erwachsenen in Ruhe miteinander.

Ein wichtiges Gesprächsthema war natürlich die bevorstehende Hochzeit von Rafe und Henny. Bobby verhielt sich neutral und meinte, wenn sie eingeladen würde, käme sie hin, wenn nicht, sei das auch kein Problem. Billy schob der abwesenden Dalli die ganze Schuld für alles in die Schuhe und meinte, da helfe nur das Hoffen und das Beten auf ein Wunder, welches die Hochzeit verhindern möge.
Bei einem Gespräch unter vier Augen, erfuhr Dick noch etwas vertrautes von Billy.
„Also ob dieses Ereignis noch nicht schlimm genug wäre.“
„Was ist geschehen?“, wollte Dick besorgt wissen. „Ist etwas mit den Babys nicht in Ordnung?“
„Den Kindern und den Babys geht es gut. Zu gut. Mit 90% Wahrscheinlichkeit werden es zwei Jungs. Dabei habe ich so sehr darauf gehofft, eine zweite Tochter zu bekommen. Nun wird es wieder nichts.“
Billy ballte die rechte Hand zu einer Faust und hieb dann mit dieser in die offene linke Hand.
„Dann wird eben das nächste Baby ein Mädchen.“
„Ich werde es versuchen.“, Billy schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter, lockerte ihre Hände. „Sieh nur, wie die beiden strampeln. So sehr, dass man es sogar durch das Kleid erkennen kann.“
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Andrea1984
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Kapitel 452

Beitrag von Andrea1984 »

Das kurze Gespräch mit Billy fand am Vormittag im Wohnzimmer statt. Anschließend ging Dick hinüber ins Arbeitszimmer, wo sie Alexander vermutete, da sie mit ihm einiges besprechen wollte. Das Arbeitszimmer war leer, zumindest beinahe. Molly lag auf dem Schreibtisch, blinzelte in die Sonne.
Dick wollte eigentlich schon wieder gehen, doch Molly streckte sich, gähnte kurz und kam dann auf Dick zu.
„Gut, soviel Zeit für eine Streicheleinheit ist drinnen.“, gab Dick nach. Kaum hatte sie mit ihrer Hand Molly berührt, fing diese in der Lautstärke einer Nähmaschine zu schnurren an. Dick fühlte, wie weich Mollys Fell war. Nicht nur das, sondern auch das Gefühl von Entspannung machte sich breit.

Plötzlich hielt Molly inne, schnupperte kurz und begann dann, sich zu putzen. Dick verstand. Sie redete kurz mit Molly, als ob sie eine Antwort erhalten würde. Dann überlegte Dick, wo Alexander sein könnte. Als Gastgeber musste er sich wohl im Haus oder im Stall, vielleicht auch in der Scheune, aufhalten. Im Erdgeschoß war Alexander nicht. Langsam stieg Dick die Treppe nach oben. Alle Türen waren geschlossen. Dick wusste nur ungefähr, wo sich Alexanders Schlafzimmer befand und klopfte bei der Türe, hinter welcher sie es vermutete, höflich an. Tatsächlich Dick hatte Glück.

„Komm herein. Ich bin schon fertig umgekleidet.“, Alexander öffnete die Türe.
„Wie machst du das, mit den vielen Gästen? Wo bringst du sie unter?“, wollte Dick wissen.
„Die Ferialpraktikanten oder vielmehr Pferdewirtlehrlinge, wie ihre korrekte Berufsbezeichnung lautet, haben über die Weihnachtsfeiertage zwei Wochen frei. Somit stehen die Zimmer leer und können als Gästezimmer genutzt werden. Bobby und Hasso teilen sich selbstverständlich ein Zimmer, ebenso Billy und Heinrich, während die jeweiligen Kinder einzelne Zimmer haben.“
„Ich wusste gar nicht, dass du hier Pferdewirtlehrlinge ausbildest.“
Dick erfuhr nun, dass Alexander selbst einmal diesen Beruf gelernt und daher das Recht erworben hatte, neue Lehrlinge auszubilden.
„Die Angestellten bleiben ja nicht allzu lange hier. Sie machen ihre Ausbildung, gehen dann aber, zumeist auf eigenen Wunsch, weiter, um sich etwas neues zu suchen.“

„Wo schlafen Henny und Chrissy?“, hakte Dick nach. „Immer noch in dem alten Kinderzimmer?“
„Ja und nein. Das Zimmer habe ich vor einigen Jahren neu eingerichtet. Chrissy wohnt jetzt alleine dort. Wo Henny schlafen wird, weiß ich noch nicht. Vermutlich bei Rafe in einem gemeinsamen Schlafzimmer.“
Alexander nahm ein paar Bögen Papier, welche auf dem Nachttisch gelegen hatten, zur Hand.
„Was soll ich damit?“
„Lesen und verstehen. Dalli hat gemeint, sie wolle einen Ehevertrag aufsetzen, doch dagegen haben sich Rafe und Henny gewehrt. Beide sind sich erstaunlich einig, damit hätte ich nicht gerechnet.“
„Wo steckt das glückliche Brautpaar?“
„Die beiden sind nach Hamburg gefahren, um einiges für die Hochzeit zu erledigen. Es soll nur eine ganz kleine Hochzeit werden. Aus Kostengründen sogar nur standesamtlich.“
„Nun ja, das geht schon in Ordnung.“, Dick las nun die Papiere durch. „Aber warum so schnell? Auf einen Monat mehr oder weniger, wäre es doch auch nicht darauf an gekommen.“
„Das hat Dalli so entschieden. Weiß der Himmel, was in ihrem Kopf vorgeht.“, erwiderte Alexander in einem Tonfall, der eher untypisch kühl war. „Schon jetzt liegt Dalli mir ständig in den Ohren damit, was sein wird, wenn Rafe und Henny Kinder haben, damit der Immenhof auch weiterhin in der Familie bleiben kann.“
„Dalli steht sich das alles viel zu einfach vor. Aber sie hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.“

Noch vor dem Mittagessen besprachen Dick und Alexander einiges unter vier Augen miteinander. Je weniger Personen eingeweiht waren, desto besser würde alles verlaufen, davon war Dick überzeugt. Wenn alles gut ging, konnte sie dann auch bald Bobby und Billy einweihen.
Das Mittagessen verlief erstaunlicherweise ruhig und entspannt. Dick hatte mit viel Aufwand gerechnet. Und war überrascht davon, dass alle Bewohner und Gäste, mit Ausnahme von Stine und Ole, problemlos untergebracht wurden. Die einen saßen am Tisch im Esszimmer, die anderen im Wohnzimmer. Beide Tische waren zuvor auf die jeweils maximale Länge ausgezogen worden.

Erst am nächsten Tag konnte Dick mit dem mehr oder weniger glücklichen Brautpaar einige Worte unter vier oder vielmehr unter sechs Augen wechseln. Rafe war nicht besonders erfreut darüber, dass er nun heiraten müsse. Sein ganzer Zorn galt Dalli, die ihn hinterrücks, wie er es nannte, hereingelegt hatte. Henny hingegen redete wenig. Sie meinte nur, sie müsse ihrer Mutter Gehorsam schulden.
„Sie hat sich nie um dich gekümmert. Du bist ihr weder Rechenschaft noch Gehorsam schuldig.“
Zuletzt geändert von Andrea1984 am Di 23.Jan.2018 11:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Kapitel 453

Beitrag von Andrea1984 »

„Schade, dass ich mir meine Mutti nicht aussuchen habe können. Jede andere wäre mir lieber gewesen.“, Henny sah drein, als ob sie kurz davor stehen würde, in Tränen auszubrechen.
„Habt ihr schon entschieden, wo ihr nach der Hochzeit wohnen möchtet?“
„Mutti hat behauptet, einen Ehevertrag aufzusetzen, in welchem alles drin stehen soll.“
„Das glaube ich ihr nicht. Ihr seid doch alt genug, um das selbst entscheiden zu können.“
„Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich, dass wir auf dem Immenhof wohnen bleiben.“, bot Rafe an. „Mir gefällt es hier sehr gut. Und dein Vati kann bestimmt Unterstützung gebrauchen.“
„Soviele Räume gibt es hier nicht, die noch frei wären.“, gab Henny zu bedenken. „Das ehemalige Schlafzimmer von Großmamá. Allerdings ist das schon seit Jahren nicht genützt worden.“
„Nun, dann räumen wir es aus und richten es modern ein.“
„Immer mit der Ruhe. Das umräumen kostet viel Geld.“, versuchte Dick ihren Sohn zu bremsen. „Außerdem braucht ihr mindestens zwei Räume. Das Bad könnt ihr euch mit Alexander teilen, das dürfte kein Problem sein.“
„Wieso zwei Räume? Ich verstehe gerade nur Bahnhof.“
„Für etwaige Kinder ein eigenes Kinderzimmer. Dafür ist es noch viel zu früh.“

Dick schlug vor, einen Raum als Schlafzimmer und den anderen Raum als eine Art Wohnzimmer oder Arbeitszimmer oder beides zu nützen. Henny verriet, dass im zweiten Stock noch einige Zimmer leerstünden, die nie wirklich verwendet worden waren, zum Beispiel das ehemalige Gästezimmer. Mit etwas Glück könne man vier bis fünf Räume renovieren und nett einrichten. Vielleicht ein zweites Badezimmer, ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer und ein Gästezimmer.

Dick holte nun Alexander, was er zu dieser Sache meinte. Das Argument mit dem Geld kam sogleich wieder auf das Tapet. Dick meinte, ob Alexander vielleicht, genau für solche Fälle, Ersparnisse hätte. Auf ein Erbe bräuchte Henny nicht zu hoffen. Alexander gab zu, dass die wirtschaftliche Lage des Immenhofs durchaus stabil war. Ja, er habe etwas privates Geld auf der Seite. Selbstverständlich müsse er es durch zwei, nein eigentlich durch sechs teilen, da jedes seiner Kinder einen Anteil haben solle. Das wäre nur fair, allen Kindern gegenüber, auch wenn die einen noch deutlich kleiner waren.

Nach dem Feiertagen, also schon im Jahr 1994, fuhren Dick, Alexander, Henny und Rafe nach Hamburg, um dort die letzten Formalitäten bezüglich der Finanzen zu klären. Nicht nur wegen der Hochzeit, sondern auch wegen des Umbaues. Und ob die Bank vielleicht einen entsprechenden Kredit hergeben könne. Alles lief gut, worüber Dick sehr erleichert war, da sie Behördengänge nicht mochte.

Schneller als gedacht stand der 06. März vor der Türe. Wie bereits geplant, fand die Hochzeit im kleinsten Kreis statt. Abgesehen von dem Brautpaar, den Brauteltern und den Bräutigameltern, gab es keine weiteren Gäste. Anna und Margot waren zwar eingeladen worden, hatten allerdings soviel mit ihren Familien zu tun, dass sie nicht wegkonnten oder nicht wegwollten. Chrissy wäre eingeladen gewesen, hatte sich allerdings drei Tage zuvor bei einem Ausritt erkältet und musste daher das Bett hüten. An diesem Sonntag, der eigentlich ein Freudentag hätte sein sollen, regnete es in Strömen.

Von einer fröhlichen Stimmung war da keine Spur. Henny ließ den Kopf hängen, wie eine Pflanze, die längere Zeit über nicht gegossen worden war. Rafes Mundwinkel bildeten eine dünne Linie. Einzig Dalli lachte, als ob sie sich ganz besonders freuen würde.
„Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“, dachte Dick, während sie Dalli und Alexander beobachtete, die nur wenige Worte miteinander wechselten und sich auch sonst eher aus dem Weg gingen. Lediglich bei der Zeremonie auf dem Standesamt saßen sie nebeneinander, weil es sich so gehörte.

Der Standesbeamte sprach einige Floskeln, dann wurden schon die Ringe gewechselt. Ringe aus Silber. Dick musste neidlos anerkennen, dass Rafe einen guten Geschmack besaß. Kein Wort a la: „Sie dürfen die Braut küssen.“ Oder hatte Dick es nur überhört? Ein Kuss fand nicht statt. Weder im Standesamt selbst, noch draußen vor der Türe. Das offizielle Hochzeitsphoto wurde zwar geknipst, aber niemand lächelte. Stocksteif, als ob sie einen Hering im ganzen verschluckt hätte, stand die Hochzeitsgesellschaft da. Das Brautpaar im Mittelpunkt, die jeweiligen Elternteile dahinter.

Dick musste zugeben, dass Henny in ihrem weißen Kleid mit dem dazupassenden Schleier im Haar durchaus reizend aussah. Rafe in einem schwarzen Anzug und einem weißen Hemd, sowie einer dunklen Krawatte, bot ein nettes Bild.
„Die beiden werden sich schon aneinander gewöhnen. Sie gehen respektvoll miteinander um, das habe ich bereits des öfteren beobachten können.“, dachte Dick wohlwollend und lächelte kurz.
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Kapitel 454

Beitrag von Andrea1984 »

Nach der standesamtlichen Trauung fand das Hochzeitsessen auf Wunsch des Brautpaares auf dem Immenhof statt. Ursprünglich war ein Spaziergang zu Fuß zum Standesamt und wieder zurück auf den Immenhof geplant gewesen, aber das Wetter ließ es nicht zu. Eine Fahrt mit der Pony- oder Pferdekutsche fiel buchstäblich ins Wasser. Ralf erklärte sich bereit, das Brautpaar auf den Immenhof zu bringen. Alexander bot an, Dick mitzunehmen, welche das Angebot gerne annahm.
„Was soll aus Dalli werden? Das Brautpaar ist ja schon abgefahren.“
„Das ist nicht meine Angelegenheit.“, gab Alexander kurz und knapp Auskunft. „Soll sie sich doch ein Taxi nehmen. Geld hat sie ja genug, um diesen Luxus bezahlen zu können. Oder sie geht zu Fuß.“
„Die Trauung hat mir recht gut gefallen.“, lenkte Dick, die auf dem Beifahrersitz saß, das Gespräch geschickt in eine andere Richtung.
„Ja mir auch. Wobei ich nicht so aufgeregt gewesen bin, wie damals als zuerst Bobby und dann Billy geheiratet haben. Inzwischen habe ich wohl etwas Erfahrung, um alles gelassener sehen zu können.“
„Wer weiß, wie oft du noch die Gelegenheit haben wirst, bei der Hochzeit eines deiner Kinder dabei zu sein. Bei mir ist ja der Zug abgefahren, da alle meine Kinder unter die Haube gekommen sind.“
„Und das alles binnen weniger Jahre. Wäre es dir nicht lieber gewesen, sie hätten sich etwas Zeit gelassen?“
„Margot und Eduard bestimmt nicht. Margot ist ja damals schon schwanger gewesen, doch sie hat es noch nicht gewusst. John hätte Anna gerne früher geheiratet, aber sie hat ihn zuerst abblitzen lassen.“
„Soll er doch um sie werben, das ist ein altes Balzritual aus früheren Zeiten.“, Alexander lachte.
Dick stimmte in das Lachen ein. Wenigstens für einen Augenblick vergaß sie ihre Sorgen.

Das Hochzeitsessen war gut, die Stimmung hingegen weniger. Es wurde nur wenig geredet.
„Das liegt sicher nur an Dalli.“, ging es Dick zynisch durch den Kopf, während sie mit einem scheinbar unbeteiligten Gesichtausdruck ihre Suppe löffelte. „Jemand anderer kommt dafür nicht infrage.“
Aus Kosten - oder aus organisatorischen Gründen, so genau wusste Dick das nicht, hatten als Trauzeugen keine Familienangehörigen oder Freunde, sondern stattdessen zwei Fräulein, die auf dem Standesamt als Sekretärinnen arbeiteten, gewirkt, was rechtlich durchaus erlaubt war.

„Stine setz dich doch zum Tisch. Es ist genug Platz. Für Ole natürlich auch.“, meinte Henny freundlich.
„Mit dem Personal am Tisch sitzen, wo kommen wir denn da hin.“, murmelte Dalli, die schräg gegenüber von Dick Platz genommen hatte.
„Sei ruhig. Als ob du nicht schon genug Ärger angerichtet hast.“
Ein ungewöhnlich scharfer Tonfall von Alexander.
Stine räumte die gebrauchten Suppenteller und die Suppenlöffel ab, tat so als ob nichts geschehen war.
„Anna und John erwarten ihr drittes Kind im September.“, ergriff nun Ralf das Wort. „John hat mich, noch vor der standesamtlichen Trauung angerufen und mir Bescheid gesagt.“
„Das freut mich für die beiden. Ich bin auch gespannt, was es wohl diesmal wird.“, Dick hörte selbst, dass ihre Stimme unnatürlich klang, als ob sie nicht zu ihr gehören würde.
„Je mehr Kinder, desto mehr gibt es auch Kindergeld vom Amt.“
Dick unterdrückte eine passende Antwort, die ihr auf der Zunge lag.
„Mach dir nichts draus.“, hörte sie Ralfs’s Stimme flüstern. „Das ist nur der Neid bei Dalli, weil sie bestimmt auch gerne mehrere Kinder gehabt hätte, aber damals schon zu alt gewesen ist, um mehr als zwei haben zu können.“
Dick flüsterte zurück, dass es noch an einem anderen Faktor lag.
„Oh, das habe ich nicht gewusst.“
„Schon gut. Ich habe das damals auch nur durch Zufall mitbekommen. Irgendwie hat es nicht sollen sein, dass Dalli mehr als zwei Kinder hat. Oder auch besser so, wenn man die Geschichte bedenkt.“

Stine servierte den Hauptgang, Klöße mit Pilzsauce. Zur gleichen Zeit kramte Dalli in ihrer Handtasche, die sie bei sich trug, nach einem Feuerzeug und nach Zigaretten.
„Wer rauchen möchte, kann das gerne tun, allerdings draußen, aus Rücksicht auf die anderen Gäste.“, bestimmte Rafe.
„Soviele sind doch heute nicht da, als dass man Rücksicht auf sie nehmen sollte.“, Dalli hob eine Augenbraue.
„Du bist hier nur Gast und keine Besitzerin, nie gewesen. Also musst du das tun, was der neue Hausherr dir befiehlt.“, Dick unterstützte ihren einzigen Sohn selbstverständlich, egal was er tat.
„Das hätte ich beinahe vergessen.“, Dalli stand auf, nahm ihre Handtasche und eilte nach draußen.
„Offenbar hat sie keine Sorge, dass der Regen und der Wind ihre Frisur ruinieren können.“
„Rafe, manchmal benimmst du dich unmöglich.“, seufzte Dick, während Ralf hingegen lachte.
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Kapitel 455

Beitrag von Andrea1984 »

Es stimmte tatsächlich. Seit diesem Tag war Rafe nicht nur verheiratet, sondern zugleich der neue Hausherr auf dem Immenhof. Mit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichten, die nun anfielen. Vorbei war es mit dem sorglosen Kinder- und Studentenleben, dass er einst geführt hatte. Dick, die bereits im Vorfeld viele Gespräche mit Rafe geführt hatte, hoffte, er werde nun vernüftiger und verantwortungsbewusster werden. Der Immenhof sollte wieder ein landwirtschaftliches Mustergut werden. Nutzfläche für die Pferde und für die Pflanzen war reichlich vorhanden.
Alexander sollte sich, so stand es in einem Vertrag geschrieben, auf sein Altenteil zurückziehen und all die schweren Arbeiten nun Rafe überlassen, während Henny für die Führung des Haushaltes und die Erziehung etwaiger Kinder verantwortlich war oder vielmehr werden würde.

Die Pferdewirtlehrlinge hatten bereits mit 01. Februar ihren Dienst auf dem Immenhof beendet und waren nun anderen Gütern zugeteilt worden. Die ehemaligen Schlafräume der Pferdewirtlehrlinge dienten nun einem anderen Zweck: Nämlich als Gästezimmer für die Gäste der Frühstückspension, als welche der Immenhof nun geführt wurde. Obst, Gemüse, Marmelade und Honig gab es aus eigenem Anbau, lediglich das Brot, die Wurst und der Käse mussten im Dorfladen eingekauft werden.
Die Idee mit der Frühstückspension stammte zu gleichen Teilen von Dick und Alexander.
Selbstverständlich durften die Gäste auch auf den Ponys oder den Pferden reiten, welches eben davon gerade frei war oder geritten werden durfte. Auch eine Reithalle war in Planung. Die Umsetzung hierzu musste jedoch aus Kostengründen auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Besonders lag Dick das Wohnrecht auf dem Immenhof am Herzen. In einem mehrseitigen Vertrag war genau festgelegt worden, wer nun Anspruch auf das Privileg hatte und wer nicht. Dalli war davon ausgeschlossen. Sowohl von dem Wohnrecht, als auch von den Gastrecht d.h. in einem der freien Räume übernachten zu dürfen. Allzu viele freie Räume gab es nun nicht mehr auf dem Immenhof. Und wenn, dann hatten eher noch Bobby und ihre Familie bzw. Billy und ihre Familie, ja sogar Sigrid und ihre Familie zuerst das Recht hier zu übernachten. Alles war von einem Notar festgelegt worden.

Das zweite Obergeschoss war umgebaut und neu eingerichtet worden, ebenso auch das erste. Viele alte Möbel waren hinausgeworfen, was man bei den einen oder den anderen durchaus wörtlich nehemn konnte, und durch neue ersetzt worden, die dem Zeitgeist entsprachen. Lediglich das Wohnzimmer, das Esszimmer, die Küche, sowie die Kammern von Stine und Ole befanden sich noch im Originalzustand der 1960er Jahre. Ferner waren im ersten und im zweiten Stock Balkone errichtet worden, von denen aus man eine gute Aussicht über das ganze Gelände und die Stallungen hatte. Kleine Blumenkästen mit frisch eintopften Blumen rundeten die neuen Räumlichkeiten perfekt ab.

Alle zeigten sich, über die neuen Räume, erfreut, besonders über die hellen Farben. Alle, bis auf Dalli.
„Mach dir nichts draus: Einer spinnt immer.“, Rafe nahm wahrlich kein Blatt vor den Mund. Er sagte es so laut, dass Dalli, die sich der Hausbesichtigung angeschlossen hatte, es hören konnte, ob sie es wollte oder nicht.
„Was hast du vor?“, wollte Alexander wissen, als er Dalli in einem der neuen Gästezimmer, wo sie ihre Koffer abgestellt hatte, verschwinden sah.
„Packen und abreisen. Hier habe ich ja nichts mehr zu suchen.“
„Es gehört sich so, dass du bei dieser Hochzeit dabei bist. Außerdem: Wessen Idee war es denn?“
„Ich habe meinen Teil getan, in dem ich bei der Trauung und beim Essen dabei gewesen bin.“, Dalli riss ein Kleid von einem Kleiderbügel, warf es anstatt in den Koffer daneben auf den Fußboden.
„Du kannst dich nicht so einfach drücken. Hat dir dein Freund keine Manieren beigebracht?“
Dalli hob das Kleid auf, straffte es, antwortete jedoch nicht.

„Wenn du gehst, so hast du doch nur deinen Willen durchgesetzt. Aber heute geht es nicht um dich, sondern um Henny und Rafe. Es liegt an ihnen, ob du bleiben darfst oder gehen sollst.“
„Also gut, dann werde ich mit den beiden reden. Von Henny hoffe ich, dass sie auf mich hört.“
Die Türe wurde geschlossen, allerdings von innen. Alexander stand da, wie ein begossener Pudel.
„Ich brauche etwas zum Trinken. Einen Korn oder noch besser ein Bier. Heute gebe ich mir die Kante.“
„Vati, das hätte ich nicht von dir erwartet.“, eindeutig Chrissy etwas heisere Stimme, die aus dem Nebenzimmer kam.
„Wie geht es dir?“, Dick ließ es sich, ungeachtet einer eventuellen Ansteckungsgefahr nicht nehmen, Chrissy, die aufrecht im Bett saß und einen dicken Schal um den Hals trug, zu begrüßen.
„Schon etwas besser. Wenn nur dieser doofe Husten nicht wäre. Stine wird mir bald eine Tasse heißer Milch mit Honig raufbringen, das wirkt bestimmt, Mutti hingegen ist es egal, wie es mir geht.“
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Kapitel 456

Beitrag von Andrea1984 »

„Sag‘ das nicht.“, meinte Dick entsetzt. „Sie hat bestimmt viel zu tun, du weißt ja, wegen der Hochzeit.“
„Ach was. Es ist doch nicht Muttis Hochzeit. Schlimm genug, dass sie Henny diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Und Henny hat brav „Ja und Amen“ gesagt. Bin ich froh, nicht die ältere zu sein.“
„Dann hättest du ja Rafe heiraten müssen.“
Chrissy winkte ab. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, wurde jedoch durch einen Hustenanfall unterbrochen. Erst nach einer Weile war dieser wieder vorbei.
„Ich hätte Rafe’s Antrag entweder abgelehnt oder wäre mit Rafe nach Amerika, oder wohin auch immer, durchgebrannt, um endlich aus diesem alten Kasten hier rauszukommen.“
„Der alte Kasten ist erst 30 Jahre alt. Ich weiß das von deinem Vater her.“, antwortete Dick ruhig.
„Für ein Haus ist das relativ alt. Angeblich soll das Haus, das zuvor da gestanden hat, noch viel älter gewesen sein. Doch mir ist das egal. Ich mag die moderne Einrichtung hier lieber.

Dick plauderte noch ein wenig mit Chrissy weiter. Allerdings mehr aus Höflichkeit, denn aus wahrem Interesse.
„In meinen Augen ist Chrissy eine verwöhnte junge Göre, der man den Hintern versohlen müsste.“
Dick sprach diesen Gedanken nicht laut aus. Womöglich hatten die Wände Ohren.
„Kannst du aufstehen? Jetzt findet gleich die Kaffeestunde statt.“
„Können ja. Aber ich möchte Mutti nicht über den Weg laufen.“, antwortete Chrissy schlagfertig.
„Wenn ein Wunder geschehen würde und deine Mutti nicht bei der Kaffeestunde dabei wäre, würdest du dann mitmachen?“
„Selbstverständlich. Dem Brautpaar habe ich ja schon vorhin gratuliert, gleich nachdem es vom Standesamt wieder zurückgekommen ist.“

Dick zögerte. Sie hatte einen Plan. Sollte sie Chrissy einweihen oder nicht?
„Wer hat einen Schlüssel zu den Räumen hier?“
„Niemand. Es gibt schon Schlüssel. Soweit ich weiß, hängen alle an einem Schlüsselkasten, der sich in Vatis Arbeitszimmer befindet.“
Dick verabschiedete sich von Chrissy und ging hinüber in Alexander’s Arbeitszimmer, dass sich seit dem Umbau im ersten Obergeschoss befand.

Tatsächlich. Hier waren sämtliche Schlüssel verzeichnet und hingen an der Wand.
Dick nahm einen davon herunter, sah sich um, huschte über den Flur zurück und sperrte das Gästezimmer, in welchem sich Dalli befand, ab. Ein Fluchtweg war ausgeschlossen, da das Gästezimmer nach hinten hinausging, wo es weder einen Balkon, noch eine Feuerleiter gab. Auch eine Verbindungstüre zu den anderen Räumen existierte nicht.
Wie lange würde es wohl dauern, bis Dalli bemerkte, dass sie eingesperrt war?

Mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck legte Dick den Schlüssel wieder an seinen Platz zurück. Anschließend ging sie in das zweite Obergeschoss, wo in dem neuen Wohnzimmer von Henny und Rafe bereits der Kaffeetisch gedeckt war. Den Kuchen hatte Stine eigenhändig gebacken.
Beim Anschneiden des Kuchens lag Rafe’s Hand obenauf. Dick schwandte nichts gutes. Vielleicht war die Geste auch nur zufällig gewählt worden und hatte inzwischen keine tiefere Bedeutung mehr.

„Wo ist denn Dalli?“, wollte Alexander wissen. „Vorhin habe ich sie noch gesehen.“
„Sie wird wohl abgereist sein. Du kennst sie ja. Immer ist sie in Eile, als ob sie auf der Flucht wäre.“
„Geht sie dir etwa schon ab?“, ergänzte Dick den Kommentar ihres Sohnes.
„Man wird ja wohl noch fragen dürfen.“, murmelte Alexander in seinen leicht stoppeligen Bart.
Dick unterdrückte mühsam ein Grinsen. Hastig biss sie in ein Stück Kuchen, um sich nicht zu verraten.

Die Stimmung wurde lockerer. Jedenfalls kam es Dick so vor. Rafe erzählte einige Anekdoten aus seiner „Jugendzeit in Amerika“, während Henny ihm gespannt zuhörte oder so tat als ob.
Alexander kippte tatsächlich einen Korn nach dem anderen hinunter, während Ralf, wie so oft, zum Zeichenblock griff und eine nette Skizze nach der anderen anfertigte. Allerdings nicht mehr so flink wie früher. Der Marmorkuchen war schnell aufgegessen worden. Kaffee hingegen gab es noch reichlich.
Ab und an klingelte das Telephon. Zuerst rief Billy an, dann Bobby. Beide sprachen kurz mit dem Brautpaar. Gegen Abend klingelte das Telephon ein drittes Mal. Wer konnte das nur sein?

Dick vermutete, es handele sich um Anna oder Margot.
„Das glaube ich nicht. Sie haben beide gesagt, dass sie ein Telegramm schicken werden, weil es billiger als ein Anruf ist.“, meinte Rafe, während er seine Kaffeetasse elegant in der rechten Hand hielt.
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Kapitel 457

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„Vielleicht ist es ein Versicherungsvertreter, der Vati oder Rafe oder wem auch immer einen Staubsauger oder einen neuen Fernseher andrehen möchte.“, vermutete Chrissy, die, in einen Morgenmantel und dicke Pantoffeln gehüllt, an der Kaffeestunde teilnahm, jedoch keinen Kaffee, sondern lieber Tee trank, nachdem sie bereits eine Tasse heißer Milch mit Honig konsumiert hatte.

„Das wäre eine Möglichkeit. Diese Versicherungs-Fuzzis kennen keine Tages- und Nachzeit. Stine wird schon rangehen. Es ist ja ihre Aufgabe. Wenn es wichtig ist, so wird sie es uns schon sagen.“
Die Herren lockerten ihre Krawatten, um sich, so vermutete es Dick, frische Luft zu verschaffen.
„Soll ich ein Fenster öffnen?“, bot Rafe an. „Oder ist es zu kalt draußen?“
„Frische Luft tut immer gut.“, schloss sich Henny, die bisher nur wenig geredet hatte, an.
„Ihr seid euch ja einig, wie ein altes Ehepaar.“, neckte Chrissy.
„Das mit dem „alt“ lassen wir mal lieber war.“, behielt Rafe das letzte Wort in dieser Diskussion. Er sagte es scherzhaft. Zumindest hörte es sich für Dick so an. Chrissy verzog das Gesicht, als ob sie schmollte.
„Bravo. Endlich hat es einer geschafft, das Plappermäulchen zum Schweigen zu bringen.“
„Och, Vati.“, maulte Chrissy entrüstet. Entweder war sie wirklich beleidigt oder spielte das nur gut.

„Mit ihrer Art erinnert mich Chrissy immer mehr an Dalli, während Henny ganz nach Alexander kommt.“, Dick verriet ihre Gedanken nicht. „Solche Sprüche hätte sich früher echt nur Dalli erlaubt. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich so zu benehmen. Mit ihrer Art wird es Chrissy bestimmt in der Schule oder im Berufsleben nicht einfach haben, da die Grenze zwischen Charme und Dreistigkeit sehr schmal ist. Irgendwie bewundere ich Chrissy für ihre Art. Doch ich sage ihr das nicht zu laut, sonst wird sie womöglich noch eingebildeter, als sie ohnehin schon ist. Und noch etwas ist mir aufgefallen: Trotzdem Henny und Chrissy so unterschiedlich sind, es scheint mir, als verstehen sie sich dennoch oder gerade deshalb gut. Sie ergänzen sich wie Wasser und Feuer, sozusagen.“

Es klopfte an der Türe. Rafe warf Alexander einen Blick zu. Dick wusste nicht genau, was der Blick bedeuten sollte. Alexander nickte kurz. Offenbar hatte er verstanden, was Rafe meinte.
„Ja, herein.“
Wie autoritär dieser Tonfall klang. Dick war das von ihrem Sohn so gar nicht gewöhnt.
„Ein Herr Holm aus Hamburg ist am Telephon. Er möchte die gnädige Frau Arkens sprechen.“
„Warum so förmlich, Stine.“, lachte Rafe offen.
„Weil es mir die alte gnädige Frau, die Mutter des Herrn Arkens, Gott hab sie selig, so befohlen hat.“
Stine verzog keine Miene, knickste vor Rafe und Henny, als ob sie ihr Lebtag nichts anderes getan hätte.
„Die gnädige Frau Arkens ist nicht da. Wenn Sie bitte so freundlich wären, es Herrn Holm auszurichten.“
„Mach ich gerne, gnädiger Herr.“, Stine knickste wieder und verließ das Wohnzimmer, rückwärts durch die offene Türe gehend.

„Stine möchte es nicht, gesiezt zu werden. Also kannst du sie, wenn du das nächste Mal mit ihr redest ruhig duzen. Sie nimmt es dir bestimmt nicht krumm.“
„Ich werde wohl noch eine Weile brauchen, bis ich mich daran gewöhnt habe. Bisher habe ich alles selbst erledigen müssen.“
„Bei mir ist es genau umgekehrt.“, erwiderte Alexander. Und fügte hinzu, er sei froh, die Verantwortung für den Immenhof in jüngere Hände übergeben zu können. Nun habe er wieder mehr Zeit und Ruhe, für die Dinge, die ihm wichtige seien.
„Zum Beispiel für deine vierbeinige Freundin, die gerade auf dem Fensterbrett sitzt und sich putzt.“
„Die natürlich auch.“, antwortete Alexander. „Doch ich dachte in erster Linie an meine zweibeinige Freundin.“

Dick horchte nur mit einem halben Ohr zu, während sich Alexander und Rafe unterhielten. Ralf war beschäftigt. Chrissy lehnte entspannt auf dem Sofa und kaute, ja tatsächlich, an ihren Fingernägeln.
„Wie fühlst du dich?“, wollte Dick von Henny wissen.
„Müde. Irgendwie. Schließlich bin ich heute schon sehr früh aufgestanden. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich verheiratet bin. Und meine immer, ich träume.“
„Hoffentlich ist es kein Alptraum.“
„Oh nein, das ganz gewiss nicht.“, Henny blickte treuherzig wie ein neugeborenes Fohlen. „Darf ich dich etwas fragen? Oder ist das zu privat?“
„Nur Mut. Worum handelt es sich? Ich habe fast keine Geheimnisse vor anderen Leuten.“
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Andrea1984
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Kapitel 458

Beitrag von Andrea1984 »

Dick spürte, wie Henny näher heranrückte und nahm daher an, dass es sich um eine intime Frage handelte.
„Wie soll ich mich in der Hochzeitsnacht verhalten? Rafe hat bestimmt viel mehr Ahnung als ich.“
Mit einfühlsamen Worten versuchte Dick ihre Nichte, die nun zugleich auch ihre Schwiegertochter war, auf das vorzubereiten, was sie erwarten würde.
„Wenn du einen Rat brauchst, kannst du immer zu mir kommen oder mich anrufen.“

An diesem Tag wurde nicht nur die Hochzeit von Henny und Rafe, sondern auch Rafe’s 31. Geburtstag gefeiert. Geschenke gab es nur wenige, doch das machte dem Brautpaar offenbar nichts aus. Erst am späten Abend bequemte sich Dick dazu, Dalli aus ihrer Not zu erlösen. Zu dieser Sache äußerte sich sonst niemand. Ob aus Höflichkeit oder aus Desinteresse vermochte Dick nicht festzustellen. Wenige Minuten später verließ Dalli, mit den gepackten Koffern, den Immenhof, um anderswo eine Bleibe zu finden. Dick stand am Fenster und blickte ihr höhnisch lächelnd nach.

Bald wurden die Hochzeitsfeierlichkeiten beendet, da sowohl das Brautpaar, als auch die Gäste am nächsten Tag früh aufstehen mussten. Dick und Ralf übernachteten in einem der Gästezimmer. Auf Bitte von Henny und Rafe, nahmen Dick und Ralf an dem Frühstück am nächsten Morgen teil. Das Wetter präsentierte sich von seiner besten Seite, doch es war immer noch kühl.

Langsam zerstreute sich die Hochzeitsgesellschaft. Dick und Ralf brachen nach Lübeck auf, Henny und Rafe zum Flughafen, wo sie nach Madrid in die zweiwöchigen Flitterwochen fliegen wollten, Alexander zum Bahnhof, um einen Kuraufenthalt im Schwarzwald anzutreten und Chrissy in die Schule. Die ganze Hausarbeit blieb an Stine hängen. Dick hätte zugerne mitgeholfen, doch Stine meinte, sie schaffe das schon alleine. Es sei ja ihre Aufgabe und sie komme ganz gut zurecht.

Ende März siedelten Dick und Ralf von Lübeck nach Eltville über. Die alte Wohnung verkauften sie, zu dem am Markt üblichen Preis, an Anna und John, die nun mit ihren beiden Söhnen dort einzogen. Dick war froh, dass alles so schnell über die Bühne gegangen war und freute sich schon auf die neue Zeit in Eltville. Trotz der vielen Arbeit, hatte Dick ihre Freunde und ihre Familie nicht vergessen.
Beinahe täglich telephonierte Dick mit ihren Kindern, um auf diese Weise zu erfahren, was es neues gab.

So erfuhr Dick, dass sich Henny und Rafe, nach den Flitterwochen, auf dem Immenhof gut eingelebt hatten und fleißig arbeiteten, da schon bald die ersten Pensionsgäste erwartet wurden. Neue Fohlen wurden geboren und die Obstbäume standen bereits in voller Blüte. Alexander war, nach dem Kuraufhenthalt, gesund und munter zurückgekommen und schonte sich, so gut es möglich war.

Am Freitag vor Pfingsten reiste Dick, wie sie es versprochen hatte, zu Billy nach München. Es konnte nun jeden Tag soweit sein, dass die zweiten Zwillinge das Licht der Welt erblicken sollten.
„Ich bin froh, dass du da bist. Alleine hätte ich das hier alles nicht durchgestanden.“
„Die Kinderfrau ist doch auch da.“
„Ja, das schon. Aber sie kümmert sie nur um die Kinder. Mit mir redet sie wenig.“
„Wie geht es Heinrich?“
„Dem geht’s gut. Er hat mich heute schon angerufen, in seiner Pause, die er zwischen zwei Kongressvorträgen hat. Allerdings haben wir nur kurz telephoniert, da das Gespräch sonst zu teuer geworden wäre.“
„Irre ich mich, oder steht in eurem Arbeitszimmer tatsächlich ein Computer?“
„Du siehst noch gut. Damit kann ich viel besser als auf der Schreibmaschine arbeiten. Allerdngs sehe ich im Moment vor lauter Bauch, die Tastatur kaum noch.“

Dick und Billy vertrieben sich die Wartezeit auf die Entbindung mit kurzen Spaziergängen, netten Unterhaltungen und Kartenspielen. Dick hatte noch einige von Dr. Pudlich gelernt und gab sie nun an Billy weiter. Am Pfingstsonntag, während eines Kartenspiels, setzten bei Billy die Wehen ein. So heftig, dass keine Zeit mehr blieb, ins Krankenhaus zu fahren. Also bereitete Dick, gemeinsam mit der Kinderfrau, alles nötige im Schlafzimmer von Billy und Heinrich für die Entbindung vor.
Billy biss die Zähne zusammen.
„Warum hatte mir nur keiner im Voraus Bescheid gegeben, wie schmerzhaft so etwas sein kann?“
„Da musst du durch. Du machst das gut, Billy. Weiter so.“, meinte Dick aufmunternd.
Es war ein trüber grauer Tag.
„Ich kann den Kopf schon sehen. Das erste Baby wird gleich da sein. Pressen. Jetzt.“
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Kapitel 459

Beitrag von Andrea1984 »

Tatsächlich. Dick behielt recht. Wenige Sekunden später kam das erste Baby und schrie, als ob es alle Welt von seiner kräftigen Stimme überzeugen wollte.
„Ein Junge. Mit einer Stimme wie Luciano Pavarotti.“
„Und einem Gewicht wie ein Baumstamm.“
Während das erste Baby gewogen und gemessen wurde, machte sich das zweite bereit.
„Wieder ein Junge und ebenso hellblond wie sein Bruder.“
Auch dieses Baby wurde sogleich gewogen und gemessen.

Dann überreichte Dick nun Billy feierlich die Babys, von denen der Erstgeborenen verkniffen dreinsah, während der Zweitgeborene ein Grübchen in der linken Wange hatte. Es sah aus, als ob er lächelte. Dick behauptete, dass Babys sehr wohl lächeln konnten, auch wenn ihr niemand glaubte.
Wie sollen die beiden heißen?“
„In diesem Fall ist die Entscheidung leicht: Der, der so verkniffen schaut, heißt: Ernst. Und der andere:August. Die Namen sind traditionell in der Familie Neumann, das hat mir Heinrich erzählt.“

„Stillst du die beiden selbst?“, wollte Dick wissen.
Billy nickte: „Ich werde es versuchen. Bei Sophie und bei Georg habe ich es auch geschafft. So Jungs, wer möchte zuerst an die Milchquelle ran. Ach was, ich nehme euch beide gleichzeitig.“
Die Kinderfrau war hinausgegangen. Vermutlich um nach den anderen Kindern zu sehen oder ihnen Bescheid zu sagen, was nun geschehen war.
„Kannst du mir einen Gefallen tun?“
„Immer doch. Worum handelt es sich?“
„Ich möchte, dass du Heinrich anrufst und ihm von Ernst und August berichtest.“
„Womit? Mit dem Festnetztelephon?“
Dick verstand nur Bahnhof und brauchte eine Weile, um zu verstehen, wie sie das Handy, das neben Billy auf dem Nachttisch lag, bedienen musste. Aus Kostengründen hielt Dick das Gespräch kurz.

„Heinrich freut sich sehr. So sehr, dass er heute eine Runde für seine Kollegen ausgeben möchte.“
„Wie schade. Ich wäre auch gerne dabei gewesen.“
„Dann trinkst du eben einen Sekt oder was auch immer, wenn Heinrich wieder da ist. Eine Gelegenheit dazu findet sich bestimmt bald.“
„Nämlich unser Hochzeitstag, Anfang Juni. Du lieber Himmel. Jetzt bin ich noch nicht einmal 8 Jahre verheiratet und habe schon 6 Kinder. Das haben nicht einmal Bobby und Hasso geschafft.“
„Apropos Bobby. Wenn du willst, kann ich auch sie anrufen. Jetzt weiß ich ja, wie das Handy funktioniert.“
„Nee, das mache ich schon lieber selbst. Bobby und ich haben viel zu bereden.“

Dick tätigte derweilen einen anderen Anruf über das Festnetztelephon, nämlich jenen nach einer Hebamme, die zur Nachsorsgeuntersuchung kommen sollte. Gesagt getan. Mit den Babys war alles in Ordnung. Billy ging es auch gut. Die Hebamme zeigte sich erstaunt darüber, dass Billy bereits zweimal Zwillinge auf natürlichem Weg, ohne Komplikationen entbunden hatte. Und meinte, es müssten wohl gute Gene sein. Jede Frau schaffe das nicht oder zumindest nicht so einfach.

Da es auf Mittag zuging, hatte Dick Hunger, hielt jedoch, da sie nur Gast war, ihre Bedürfnisse zurück. Billy und die Babys waren jetzt wichtiger.
„Möchtest du, dass ich dir etwas zum Essen bringe? Oder hast du Durst?“
„Eine Suppe wäre mir schon recht. Dann komme ich bestimmt bald wieder zu Kräften.“
Dick ging selbst hinüber in die Küche, um die Mahlzeit zuzubereiten. In der Speisekammer fanden sich noch ein paar Scheiben Schwarzbrot, die gut zu der Suppe passten.

Erst als Ernst und August, gewaschen und gewindelt, in der Wiege lagen, kam Billy dazu, die Suppe zu löffeln.
„Langsam. Sie ist noch heiß.“
„Ich weiß. Doch ich habe einen solchen Hunger, dass ich einen ganzen Ochsen verspeisen könnte.“
„Ein Wasser bringe ich dir auch gleich dazu.“
„Bleib bei mir. Ich brauche jemandem, mit dem ich reden kann. Wie geht es Anna und Margot? Und Henny und Chrissy?“
„Alles der Reihe nach. Eine alte Frau ist doch keine Eisenbahn.“, lachte Dick. Und verriet nun, dass Annas drittes Kind ein Mädchen werden sollte.
„Das wird für Anna und John eine ganz schöne Umstellung bei der Erziehung sein.“, meinte Billy.
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Kapitel 460

Beitrag von Andrea1984 »

„Sie werden das schon schaffen. Immerhin haben sie ja bereits Routine mit den größeren Kindern.“
„Doch ein Mädchen ist anders zu erziehen als ein Junge. Ich weiß, wovon ich rede.“
„Obwohl sich Sophie doch beinahe wie ein Junge benimmt, das hast du mir einmal erzählt.“
„Wer kann es ihr verdenken. Als einziges Mädchen unter lauter Jungs. Ich würde da vermutlich auch am Rad drehen oder versuchen, irgendwie aus der Reihe zu tanzen, wo immer es möglich ist.“

Dick erzählte weiter, wie es Margot, Eduard und deren Kindern ging.
„Bei Henny und Rafe läuft es recht gut. Zumindest was die Umstellung auf dem Immenhof betrifft. Die Gäste bleiben ja nur zum Frühstück und müssen sich tagsüber selbst versorgen.“
„Wird die Arbeit nicht zuviel?“
„Für Stine alleine wäre das Zubereiten des Frühstücks zuviel, das stimmt. Doch dafür habe ich eine Lösung gefunden. Tagelöhnerinnen aus Malente. Sie helfen in der Küche bei den Vorbereitungen der Mahlzeit und beim Abwaschen des Geschirrs mit. Und gehen abends ruhig nach Hause.“
„Das ist eine gute Lösung. Darauf muss man erst einmal kommen. Apropos Lösung: Ich brauche dich schon wieder. Diesmal handelt es sich um meine Schwiegereltern. Sie haben dieser Tage ihren Besuch angekündigt und möchte dabei auch gerne die neuen Enkelkinder ansehen. Würdest du bitte so lieb sein, mich in der Funktion der Hausfrau sozusagen, vertreten. Das wäre sehr nett von dir.“

Dick versprach es. Selbstverständlich werde sie diese Aufgabe übernehmen.
„In der Speisekammer müssten einige Vorräte sein. Daraus kannst du bestimmt etwas kochen.“
Dick schaffte es tatsächlich, aus dem wenigen, das sie in der Speisekammer fand, ein Menü zu braten. Am nächsten Tag trafen, wie vereinbart, Billys Schwiegereltern ein. Dick verhielt sich neutral höflich den beiden gegenüber, bot Getränke an und entschuldigte sich kurz, um nach dem Essen zu sehen. Erst nach dem Essen führte Dick die Gäste zu Billy hinein, allerdings nur für eine Viertelstunde.

Aus Respekt vor den Gästen vermied Dick zunächst die direkte Anrede, wo es nur ging. Erst im Laufe des Tages konnte sie sich dazu überwinden, Waldemar und Auguste zu duzen und beim Vornamen zu nennen. Billy meinte auch, es sei hier auf dem Land gang und gebe, andere Leute zu duzen.
Nachdem diese Sache geklärt war, verlief der Tag ruhig und gemütlich. Zumindest empfand Dick es so. Dennoch fühlte sie sich auf dem Erlenhof irgendwie fehl am Platz, ohne zu wissen warum.

Ihre neue Heimat war nun Eltville. Dick gewöhnte sich schnell ein, ohne den Zeiten in Lübeck und in Kanada nachzutrauern. Was hätte sie auch davon gehabt. Es gab genug zu arbeiten, so dass wenig Zeit zum Nachdenken blieb. Wenn Dick einmal eine freie Zeit hatte, so wurde sie entweder von ihren Kindern oder von Billy, mit Bobby stand sie auf weniger vertrautem Fuß, gebraucht.

Am Freitag nach Pfingsten reiste Dick vom Erlenhof nach Eltville, nachdem sie sich mehrfach vergewissert hatte, dass es Billy und den Kindern gut ging. An Personal brauchte nicht gespart zu werden. So waren bald zwei Frauen für die Betreuung der Kinder zuständig. Eine Kinderfrau und ein Kindermädchen. Von beiden Frauen konnte sich Dick allerdings weder den Namen, noch weitere Informationen merken.

„Hoffentlich wird Billy nicht zu sehr versnobt.“, dachte Dick mit einiger Sorge während der langen Bahnfahrt von München nach Eltville. „Sie wirkt längst nicht mehr so wild und ungestüm wie früher. Und hat sich irgendwie verändert, auch wenn sie es nach außen hin nie zugeben würde. Vielleicht hätte ich doch noch einige Tage bei Billy bleiben sollen. Aber die Arbeit ruft. Ich kann sie nicht länger aufschieben. Ralf hat mich oft genug angerufen und gesagt, wie dringend er mich braucht.“

In den nächsten Tagen und Wochen war Dick so mit Arbeit eingedeckt, dass ihr kaum Zeit zum Atmen blieb. Zumindest empfand sie es selbst so. Doch sie tröstete sich mit dem Gedanken, es sei immer gut gebraucht zu werden. Und sie sei ja auch noch jung genug, um hart arbeiten zu können. Allerdings musste sie sich, anders als früher, ihre Kräfte gut einteilen. Wer weiß, wie lange sie jene noch hatte.

Dick kam es seltsam vor, an einem Ort zu wohnen, der ihr weder gehörte, noch gemietet oder gepachtet war. Als sie anbot, Miete oder Pacht zu zahlen, wurde ihr Angebot von Pankraz glatt abgelehnt. Er wollte auch später, so vermutete Dick, über das Thema einfach schweigen.
Die Wochen vergingen, der Sommer stand vor der Türe. Genau in jener Zeit, in der viele Leute Urlaub machten, mussten Dick und Ralf am meisten arbeiten. Dafür konnten sie sich während des Jahres freinehmen, wenn sie einen Urlaub benötigten. Ebenso hielten sie es mit dem Personal in der Firma, das sie teilweise noch aus Lübeck mitgebracht, teilweise neu in Eltville eingestellt hatten.
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Kapitel 461

Beitrag von Andrea1984 »

Im Juni wusste Dick kaum noch, wo ihr der Kopf stand. Arbeit hier, Arbeit dort. Und die Sorgen in der Freizeit. Um Anna, um Margot und um Anselm, dessen Kräfte allmählich nachließen. Dick spürte, dass es mit ihrem Schwiegervater bald zu Ende gehen würde und sie besuchte ihn daher oft im Altenheim. Anselm meinte, er wolle kämpfen, bis zum letzten Atemzug. Er habe schon soviel mitgemacht, da käme es ihm auf ein Jahr mehr oder weniger auch nicht mehr an. Zumindest wolle er versuchen, mit dem Schnitter Tod noch ein wenig zu verhandeln. Letzteres sagte Anselm mit einem Augenzwinkern. Dick fand es gar nicht lustig. Und meint, das Thema sei so ernst, darüber mache man doch keine Witze. Anselm erwidere, ihm sei auch nicht immer nach Lachen zumute und bei diesen Worten handele es sich um Galgenhumor. Er habe seinen Frieden mit der Welt gemacht.

Ende Juli erfuhr Dick eine überraschende Botschaft: Henny erwartete ihr erstes Kind für Jänner des kommenden Jahres. Es gehe ihr gut und sie freue sich sehr auf das Baby. Rafe natürlich auch.
Dick erkundigte sich, ob sie etwas helfen könnte, vielleicht ein Jäckchen stricken oder bei der Arbeit, die bei der Verwaltung des Immenhofs anfiel, ein wenig unterstützen. Henny nahm das Angebot an.

Dick packte die Koffer und reiste auf den Immenhof. Wieder mit der Bahn, weil eine Bahnfahrt günstiger als eine stundenlange Autofahrt war. Henny höchstpersönlich holte Dick von der Bahn ab.
„Schön, dass du dir die Zeit genommen hast, uns drei zu besuchen. Rafe macht einen Ausritt.“
„Wie kann er dich nur so lange alleine lassen?“, zeigte sich Dick halb entrüstet, halb verwundert.
„Ich bin nicht alleine. Stine ist doch bei mir. Mach keine Sorgen. Komm, hier steht mein Auto. Eigentlich gehört es Rafe, aber ich darf auch damit fahren. Reiten ist derzeit leider tabu für mich.“

Während der Autofahrt stellte Dick eine besonders heikle Frage, die ihr schon länger auf dem Herzen lag: „Wie hat deine Mutter auf diese Neuigkeit reagiert? Wie hast du es ihr gesagt?“
„Ich habe zunächst Herrn Holm angerufen, er steht ja im Telephonbuch und ihn gebeten, er möge Mutti die frohe Botschaft weitergeben.“
„Wieso glaubst du, dass deine Mutter bei ihrem Freund ist?“
„Wo sollte sie auch sonst sein. Hier in Malente ist sie schon ewig nicht mehr gewesen.“
„Und weiter?“, bohrte Dick hartnäckig nach.
„Nichts weiter. Herr Holm hat gemeint, er werde es ausrichten. Allerdings hat das Gespräch erst gestern stattgefunden. Herr Holm hat mir noch gratuliert und gemeint, ich müsse mich schonen.“
„Woher weiß er das mit dem schonen?“
„Das ist nur eine Höflichkeitsfloskel, weiter nichts. Um ehrlich zu sein, mag ich Herrn Holm nicht, doch ich akzeptiere ihn.“
Dick fand diese Geste nobel und wechselte dann elegant das Thema.

Auf dem Immenhof herrschte ein reger Trubel. Viele Gäste saßen an den reichlich gedeckten Tischen - es war noch früh am Morgen - lasen in den Zeitungen oder unterhielten sich miteinander. Ole stand an einen der Weidezäune gelehnt und rauchte eine Zigarette. Stine war nirgends zu sehen.
„Tag, gnädige Frau.“
„Tag, Ole.“, erwiderte Dick höflich. Sie konnte sich noch immer nicht daran gewöhnen, mit gnädige Frau anredet zu werden. Oder galt die Anrede etwa Henny?
„Nee, Sie sind schon gemeint, Frau Schüller.“, grinste Ole, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Was sagen Sie zu dem Trubel hier?“
„Es ist mir schon recht.“, redete Dick ein wenig um den heißen Brei herum. Immerhin war die Idee mit der Frühstückspension auf dem Immenhof auf ihrem Mist gewachsen.

„Vati sitzt in seinem ja was Arbeitszimmer kann man dazu nicht mehr sagen und liest Zeitung. Zumindest hat er das getan, bevor ich weggefahren bin.“, verriet Henny, während sie höflich, so empfand es Dick, die Türe aufhielt.
Von irgendwo her kam plötzlich Molly gelaufen. Dick spürte, wie ihr die Katze um die Beine strich und hörte das leise Schnurren.
„Molly hat dich auch vermisst. Ganz bestimmt. Auch wenn Vati meint, dass das unmöglich ist.“
„Lass dich ansehen. Wie weit bist du jetzt?“
„In der 15. Woche. Also im ersten Drittel sozusagen. Deine Koffer kannst du im Auto lassen. Ole wird sie nach oben tragen. Kommt, wir gehen nun, Vati begrüßen. Er wird sich freuen, dich zu sehen.“

Aus Höflichkeit trank Dick eine zweite Tasse Kaffee, plauderte ein wenig mit Alexander und ging dann mit Henny nach oben. Die neuen Räume waren bereits möbliert und mit einigen Zierpflanzen versehen worden, was ihnen eine heimelige Note gab. Dick fühlte sich hier wie zu Hause.
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Kapitel 462

Beitrag von Andrea1984 »

Aber sie war sich im klaren darüber, dass der Immenhof nicht mehr ihr Zuhause war. Seit der Übergabe, die notariell beglaubigt worden war, hatten nun Rafe und Henny hier das sagen. Genauso wie Dalli mehr oder weniger freiwillig den Immenhof verlassen hatte, konnte es auch Dick passieren. Sie durfte zwar jederzeit ein- und ausgehen, ohne sich telephonisch oder brieflich anmelden zu müssen, wenn sie es wollte auch über Nacht bleiben, doch sie war hier nur Gast.

Den Tag verbrachte Dick zurückgezogen in den Privaträumen von Rafe und Henny. Um 17:00 Uhr wurde zur Teestunde gebeten. Die Teestunde hatte Henny neu eingeführt. Aufgrund der schönen Witterung fand das gemütliche Beisammensein auf der Veranda statt. Stine servierte Tee, Brötchen und Kuchen. Dick forderte das Hausmädchen auf, der Teestunde beizuwohnen. Stine lehnte höflich ab. Sie habe andere Sachen zu tun. Ein kurzer Knicks. Und schon war Stine nach drinnen gegangen.

„Wo ist Chrissy?“, wollte Dick wissen. „Ich habe sie heute noch nicht gesehen.“
„In Hamburg. Bei einer Freundin. Eventuell bleibt Chrissy dort über Nacht. Aber das ist nicht meine Sache. Chrissy hat ein Handy und kann daher jederzeit anrufen, wenn ihr etwas passieren sollte.“
Henny nippte an ihrem Tee und gab auf diese Weise das Signal zur Eröffnung.
Dick genoss die ruhige Teestunde sehr, lehnte sich entspannt in dem Korbsessel zurück.
„Ich bin froh, endlich eine Aufgabe zu haben, die mich ausfüllt.“, verriet Rafe, der bisher noch keinen Tee getrunken, lediglich an einem Stück Kuchen geknabbert hatte. „Am besten gefällt es mir, mein eigener Chef zu sein. Niemand redet mir hinein, solange ich meine Steuern pünktlich bezahle.“
„Vergiss nicht die gute Landluft. In einem verstaubten Büro hast du dergleichen kaum.“

Eine Weile verlief die Unterhaltung beinahe eintönig. Zuerst wurde über das Wetter geplaudert, dann über die zu erwartende Ernte. Als nächstes über die Pensionsgäste, die sich bisher nur lobend über den Immenhof geäußert hatten. Wenn die finanzielle Lage weiter so stabil blieb, konnte entweder an einen Umbau des Erdgeschosses oder an einen Zubau in Form einer Reithalle gedacht werden. Rafe meinte, er wolle noch zwei oder drei Jahre abwarten und sehen, was sich eher rentiere.

Alexander wohnte auch der Teestunde bei, war jedoch schweigsam. Dick hätte ihren Schwager zugerne zum Reden gebracht, doch sie wusste aus Erfahrung, er wollte das nicht. Henny klingelte nach Stine, weil die Teekanne schon leer war und wieder gefüllt werden sollte.
„Wie sieht es mit der Ausstattung für das Baby aus? Vielleicht kann ich euch unterstützen.“
„Die Wiege ist schon in Arbeit. Ich stelle sie selbst her. Wenn Ole Zeit hat, hilft er mir dabei.“
„Das freut mich. Eine handgearbeitete Wiege ist etwas schönes. „
Nun beteiligte sich auch Alexander an dem Gespräch und meinte, er hätte gerne die alte Wiege verwendet, in der noch Henny und Chrissy damals gelegen hatten. Aber jene war entweder verkauft oder verschenkt worden.
„Die Zeiten haben sich geändert. Unser Kind soll in einer modernen Wiege liegen.“
Dick kam es vor, als ob Rafe beinahe vor Stolz platzte, als er diesen Satz erfreut herausrief.

Die Pferde und die Ponys standen draußen auf der Weide, rupften hier und da ein Büschel Gras ab. Einige der Tiere liefen herum, andere dösten, hatten die Augen geschlossen. Irgendwo zirpte eine Grille. Stine kam, um die leere Teekanne wegzutragen. Dick erkundigte sich, wo Ole sei.
„In der Küche. Er nimmt dort eine kleine Vesper ein.“, gab Stine höflich Auskunft, bevor sie sich wieder zurückzog, um, so empfand es Dick, ihren Pflichten als Hausmädchen - oder wie auch immer ihre korrekte Berufsbezeichung lautete - nachzukommen.

„Wenn du bist morgen hier bleibst, dann haben wir etwas schönes für dich.“, ergriff nun Henny das Wort.
„Lass hören. Ich bin für alles offen. Darf ich raten?“
„Nur zu. Du wirst es sicher nicht erraten.“, Henny schmunzelte.
Dick riet herum, ob die Neuigkeit etwas mit dem Baby zu tun hätte? Oder mit den Pferden?
„Alles falsch.“, Henny zwinkerte Rafe, der ihr gegenüber saß zu.
„Mich brauchst du nicht fragen, ich habe Schweigepflicht.“, sagte Alexander. „Nur soviel darf ich verraten: Ich bin bei dem Plan, den Henny und Rafe ausgeheckt haben, dabei.“
„Vati…“, entrüstete sich Henny. „… nun hättest du beinahe zuviel verraten.“
„Ich habe keine Ahnung.“, Dick rührte in ihrer, inzwischen nur noch halbvollen Teetasse. „Spannt mich doch nicht so auf die Folter, das ist schlecht für mein Herz.“
„Ja, ja, immer die alten Leute mit ihren Wehwechen: Denkt an mein Herz, denkt an meinen Blutdruck etc. Also gut: Wir veranstalten morgen, bei Schönwetter, ein Picknick auf der Insel am See.“
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Kapitel 463

Beitrag von Andrea1984 »

„Das ist eine tolle Idee. Ich mache da selbstverständlich mit.“, Dick war einen Seitenblick auf Henny. „Wird dir das nicht zuviel, besonders in deinem Zustand?“
„Mir geht es gut. Ich brauche ja nur im Boot zu sitzen und mich auf die Insel bringen zu lassen. Rafe wird mich rudern. Vati hat gemeint, er wolle hingegen schwimmen.“
„Wer kümmert sich um das Essen?“
„Stine. Sie hat gemeint, sie wird uns Brote und Limonade vorbereiten. Erst kommen die Gäste am Morgen dran und anschließend fahren oder vielmehr rudern wir auf die Insel hinaus.“

Der Wettergott hatte offenbar genau zugehört. Am nächsten Tag ging die Sonne leuchtend rot auf. Dick zog abgelegte Kleidung an und wartete im Vorraum, wie abgemacht. Henny und Rafe hatten die Gäste zu versorgen. Alexander kümmerte sich um Molly. Endlich war es soweit. Stine händigte Rafe, dem Hausherren, einen großen Picknickorb, der mit einem Tischtuch zugedeckt war, aus.

Beim Näherkommen am See stellte Dick fest, dass es sich um das ein altes Boot handelte, das aber noch gut in Schuss war. Alexander verriet, Dalli habe es, vor vielen Jahren Bobby und Billy geschenkt.
Dick verzog das Gesicht, jedoch nur für einen Moment. Das Leben war zu schön, um sich zu ärgern. Aus Solidarität zu Alexander nutzte Dick die Möglichkeit des Schwimmens, während Rafe und Henny im Boot saßen und auf den Picknickkorb achtgaben. Dick stellte dabei fest, dass ihr der Schwimmsport nicht mehr so leicht wie früher fiel. Immerhin war sie schneller als Alexander.

Auf der Insel warteten schon Henny und Rafe. Henny bereitete gerade das große Tischtuch auf dem glatten Gras aus, während Rafe schnell hinter dem nächstbesten Strauch verschwand.
Was gab der Picknickkorb alles her: Obst, Kuchen, Sandwiches - Dick vermutete, dass dies eine Idee von Rafe war, da Stine wohl kaum davon gehört oder eines gegessen hatte - Limonade, Kaffee und Pudding. Selbstverständlich waren auch Servietten und Bestecke beigelegt worden. Stine hatte an alles gedacht. Nach dem Essen gönnte sich Henny ein Mittagsschläfchen im Schatten. Rafe saß neben ihr, auf dem Tischtuch, das nun als Decke diente, hielt Hennys Hand behutsam fest.

„Genießen wir den heutigen Tag. Wer weiß schon, was morgen auf uns zukommen wird.“, Alexander wisperte es, um Henny und Rafe nicht zu stören.
„Du hast recht.“, Dick zog ihre Sandalen aus, warf sie achtlos ins Gras, setzte sich ebenfalls auf die Decke, während Alexander keinen Platz mehr hatte und daher mit dem Gras vorlieb nehmen musste.

„Ich komme mir so überflüssig vor, seit ich die Rechte und die Pflichten auf dem Immenhof abgetreten habe.“
„Sag das nicht. Es gibt auch im vorgerückten Alter immer noch etwas für dich zu tun. Denk an deine vielen Enkelkinder, welche dir Bobby und Billy schon beschert haben. Und jetzt kommt auch bald unser gemeinsames Enkelkind dazu.“
„Bald ist übertrieben. Henny und Rafe haben noch ein halbes Jahr Zeit, bis es dann soweit ist.“
„ich bin schon so gespannt, welchen Namen das Baby haben und wie es aussehen wird.“
„Lassen wir uns überraschen. Von blond bis brünett über braun kann alles dabei sein. Vielleicht auch schwarz, je nachdem, welche Gene sich durchsetzen werden.“

Erst nach dem Mittagsschläfchen wurde Henny auch in das Gespräch einbezogen. Rafe verschwand nun schon zum zweiten Mal hinter dem Strauch.
„Entweder hat Rafe zuviel Limonade getrunken oder eine Blasenentzündung.“, meinte Henny. „Mir ist es in den ersten Wochen so ähnlich ergangen. Von daher kann ich nachvollziehen, wie er sich fühlt.“

Dick wechselte elegant das Thema: „Wie fühlst du dich heute? Der Bikini steht dir gut.“
„Danke, gut. Ja, die Bikinifarbe passt zu meinen blauen Augen. Deshalb habe ich ihn mir kürzlich gekauft.“, verriet Henny. „Gehen wir eine Runde schwimmen?“
„Allerdings nicht zu lange. Nicht, dass du dich überanstrengst.“, zeigte sich Alexander besorgt.

Dick nahm das Angebot gerne an. Gemeinsam mit Henny schwamm oder vielmehr plantschte sie im seichten Wasser ein wenig herum. Weit hinausgehen traute sie sich, mit Rücksicht auf Henny nicht.
„Das fühle ich mich leicht, beinahe schwerelos und vergesse fast die 80 cm Bauchumfang.“
Henny stieg aus dem Wasser, schüttelte ihre Lockenmähne, die ganz nass geworden war.
„Hoffentlich hat Stine auch daran gedacht, einen Kamm oder eine Bürste einzupacken, sonst sehe ich aus, als ob ich in eine Steckdose hineingelangt hätte, obwohl es hier auf der Insel keinen Strom gibt.“
„Deine Haare trocknen ja wieder. Besonders bei diesen Temperaturen.“, versicherte Dick ehrlich.
"Walzer .... Walzer hätt' ich auch gekonnt."
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Andrea1984
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Kapitel 464

Beitrag von Andrea1984 »

„Vielleicht sollte ich sie mir doch kürzen lassen.“
„Was würde Rafe dazu sagen? Er kennt dich nur mit den langen Haaren. Außerdem ist ein Haarschnitt teuer.“
„Soviel Geld, dass ich ab und an mal zum Friseur gehen kann und es sei nur, um mir die Spitzen schneiden zu lassen, ist gerade noch drinnen.“, meinte Henny, während sie im Picknickkorb nach einem Kamm wühlte und tatsächlich fündig wurde.
„Wenn du möchtest, kämme ich dir die Haare.“
„Ja, das wäre sehr nett. Danke. So jetzt setze ich mich bequem hin. Nun kann es losgehen.“
„Siehst du, wie schnell dein Mann und dein Vater schwimmen.“
„Fast so schnell wie Flipper.“, schmunzelte Henny.
„So, nun bin ich fertig.“, Dick legte den Kamm beiseite.
„Heute morgen habe ich ein leichtes Blubbern gespürt. Ist das schon das Baby gewesen?“
„Möglich wäre es, wenngleich auch etwas früh. Aber das ist bei jeder Frau anders.“
Dick war froh, ihre Erfahrungen an Henny weitergeben zu dürfen und diese wurden offenbar auch angenommen. Dalli hätte sich in so einer Situation bestimmt gegen die guten Ratschläge gewehrt.

Auch die Teestunde fand an diesem Tag auf der Insel statt. Den Rückweg zum Immenhof trat Dick, gemeinsam mit Henny im Boot rudernd an, während Alexander und Rafe um die Wette schwammen. Zumindest kam es Dick so vor. Sie genoss die ruhigen Tage im Kreise der Familie sehr. Und schätzte vor allem die gemütliche Atmosphäre, die Rafe und Henny auf dem Immenhof aufgebaut hatten. Am frühen Abend trafen die nächsten Gäste ein, die sich bereits im voraus telephonisch oder via E-Mail angemeldet hatten. Dick registrierte mit Unbehagen, dass es seit neuestem einen Computer, ja sogar Internet auf dem Immenhof gab. Nun ja, wenn Rafe und Henny es so wollten und es sich leisten konnten, war es deren Sache. Dick blieb nur eine weitere Nacht, reiste danach wieder zurück nach Eltville. Weniger, weil es ihr hier nicht gefiel, sondern weil sie Dalli, falls diese kommen sollte, nicht über den Weg laufen wollte. Alexander versicherte, die Gefahr sei gebannt und er habe von Dalli auch schon länger nichts mehr gehört oder gesehen. Aber Dick war skeptisch. Sie kannte Dalli gut oder glaubte, sie zu kennen, diese würde sich mit dem Hausverbot nicht so einfach abfinden.

Kurze Zeit später hatte Dick andere Sorgen. Anselm entschlief friedlich im hohen Alter von 107 Jahren. Dick war dabei, als ihr Schwiegervater seine Augen für immer schloss. Ralf saß an ihrer Seite. Er, der sonst eher selten lachte oder weinte, zeigte, wie sehr ihn der Tod seines Vaters belastete. 8 Tage danach fand Anselm seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof von Lübeck, neben Katharina. Bei der Beerdigung waren auch alle Kinder und Schwiegerkinder anwesend, in dunkles Schwarz gehüllt.

Dick machte sich Sorgen, besonders um Anna, bei der es ja nicht mehr allzu lange dauern konnte und um Henny. Doch beide versicherten, es ginge ihnen gut und sie hatten ja Männer, die sich um die kümmerten. Anna meinte, sie wollte ihre Tochter gerne Katharina nennen, aber der Name sei viel zu lang. Henny brachte eine moderne Version a la Kathy aufs Tapet. Dagegen protestierte Dick. Eine Weile ging die Diskussion hin und her, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Henny und Rafe wussten nach wie vor nicht, ob es in ihrem Fall ein Mädchen oder ein Junge werden sollte.

Anselm war etwas mehr als einen Monat unter der Erde, als Annas drittes Kind gesund und munter geboren wurde. Tatsächlich ein Mädchen, mit einem halb hellen, halb dunklen Teint wie seine großen Brüder, die bisher nur wenig mit der kleinen Schwester anfangen konnten, wie Dick anlässlich eines Besuches bei Anna am Wochenbett erfuhr. Das Mädchen sollte den Namen Mona erhalten. Ein kurzer Name, den man nicht verballhornen konnte.
„So schnell wie heute, ist es bei mir den ersten Geburten nicht gegangen.“
„Dein Körper weiß schon, worauf er sich einstellen muss. Je mehr Kinder du haben wirst, desto schneller wird alles verlaufen.“
„Ein oder zwei Kinder möchte ich noch haben, doch dann ist es genug. Wie schade, dass Männer nicht schwanger werden können.“, Anna hatte ihren Sinn für Humor nicht verloren.
„Darf ich die Kleine auch einmal halten?“
„Ja, aber erst, nachdem ich sie gefüttert oder vielmehr gestillt habe. Hörst du denn nicht, wie laut sie schreien kann? Wie eine kleine Maria Callas.“
„Du bist früher auch nicht viel anders gewesen.“, erinnerte sich Dick.
„Bitte sehr. Darf ich bekannt machen: Mona, das ist deine Großmutter. Sie wird dich nach Strich und Faden verwöhnen, da kannst du dir sicher sein.“
„Gar nicht so einfach, bei so vielen Enkelkindern.“, meinte Dick. Später kümmerte sie sich auch noch selbstverständlich um Eric und Tim, in dem sie mit ihnen spielte und ihnen zuhörte. Eric plapperte wie ein Wasserfall, während Tim nur wenig sagte, stattdessen auf alles deutete, was er haben wollte.
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Kapitel 465

Beitrag von Andrea1984 »

Bald erfuhr Dick eine weitere Neuigkeit, von Billy, am Telephon: Bobby und Hasso erwarteten wieder Nachwuchs. Diesmal sollte es im März soweit sein.
„Wie soll das gehen? Bobby und Hasso haben doch gar keinen Platz in der kleinen Wohnung.“
„Soweit ich weiß, sind Daniela und Sandra schon von zu Hause ausgezogen, was allerdings nichts mit dieser Situation zu tun hat. Patrick und Walter wohnen nun bei Hassos Vater. Somit bleiben noch Marion, Anja und das zu erwartende Kind.“, rechnete Billy vor. „Bobby ist inzwischen in der 13. Woche. Es geht ihr gut. Ich werde sie bald einmal besuchen, so es meine Zeit zulässt.“

„Das muss ich erst einmal verdauen. Eine Frage habe ich dazu noch: Wie sind Bobby und Hasso an dieses Kind gekommen? Ich rede nicht von dem Vollzug der Ehe, sondern von dem „wo“.“
„Gute Frage. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht bei sturmfreier Bude zu Hause oder in Hassos Büro oder wo auch immer. Jedenfalls hat es funktioniert, wie man an Bobbys fehlender Taille erkennen kann. Bobby hat mir ein Photo der Großfamilie via E-Mail geschickt.“
„Was gibt es Neues bei dir? Sind alle Kinder gesund?“
„Ja, das ist ja auch kein Wunder, wenn der Vater der Kinder als Arzt arbeitet. Meine Kinder sind bei jedem Wetter draußen im Garten, spielen und toben, um sich abzuhärten. Das Prinzip funktioniert gut. Heinrich hat es selbst als Kind erlebt. Ihm hat es nicht geschadet. Die Kinderfrau und das Kindermädchen haben zwar viel Arbeit, doch sie kommen mit den Kindern zurecht.“

„Henny geht es auch gut.“, wechselte Dick ein wenig das Thema. „Sie ist inzwischen in der 21 Woche.“
„Wie die Zeit vergeht. Bei sovielen Schwangeren in der Umgebung, juckt es mich auch schon wieder.“
„Wenn ich eine Kinderfrau oder ein Kindermädchen gehabt hätte, so hätte ich gerne ein halbes Dutzend Kinder zur Welt gebracht.“, antwortete Dick, wechselte das Handy von der rechten in die linke Hand. Das rechte Ohr fing langsam an, ein wenig zu schmerzen, da das Gespräch etwas dauerte.
„Stimmt ja. Und eine Belastung für den Körper ist es allmählich auch. Wobei mein Kinderwunsch nur bedingt damit zu tun hat, dass ich Personal habe. Am liebsten würde ich mich rund um die Uhr um meine Kinder kümmern, doch ich habe auch noch andere Aufgaben zu tun. Unter anderem so etwas wie die Hausfrau sein, wenn es Nathalie nicht gut geht. Ethelbert erfreut sich bester Gesundheit.“

„Hast du von Dalli etwas gehört?“
„Nein. Vielleicht weiß Bobby näheres darüber. Angeblich hat sie mit ihr Kontakt. Bobbys Telephonnummer hast du?“
„Ja, doch ich möchte sie nicht stören. Besonders jetzt, wo sie doch soviel Stress hat.“
„Du störst sie nie. Ich weiß nicht, ob sie im Augenblick zu Hause ist. Versuch es einfach mal.“
Dick bat Billy, schöne Grüße an Heinrich und an die Kinder auszurichten. Und an Nathalie und Ethelbert natürlich auch.
„Mach ich doch gerne. Das ist doch selbstverständlich. So jetzt muss ich Schluss machen. Das Mittagessen ist fertig. Nathalie hat heute etwas besonders gutes gekocht: Wildragout.“

Nach dem Mittagessen schaffte es Dick tatsächlich mit Bobby zu telephonieren.
„Aha, Billy hat also gepetzt. Das finde ich ehrlich gesagt, nicht nett von ihr. Ich hätte es dir gerne selbst mitgeteilt. Dalli weiß auch schon Bescheid. Weißt du, wie sie reagiert hat?“
„Höflich. Oder unhöflich. Ich traue ihr alles zu.“, riet Dick.
„Zuerst eher skeptisch und dann hat sie etwas gemeines gesagt, dass ich gar nicht wiedergeben kann. Hasso hat mich getröstet. Er ist mein Fels in der Brandung.“
„Wie haben es die großen Kinder aufgenommen?“
„Recht gut. Daniela und Sandra meinten, wenn sie selbst jung Kinder bekämen, so dürften Hasso und ich nichts sagen. Patrick wettet, dass es ein Junge wird. Walter ist es egal. Marion und Anja zicken ständig herum. Vielleicht wird es dann besser, wenn das neue Baby da ist. Der Name steht schon fest. Wenn es ein Mädchen wird, Beate, nach meiner Schwiegermutter. Wenn es ein Junge wird, Florian, weil der Name Hasso und mir einfach gut gefällt.“

„Deine Zwillinge haben eine eigene Wohnung?“, hakte Dick nach, weil sie es nicht fassen konnte.
„So ist es. Sie gehen schon arbeiten und können sich daher die Wohnung leisten. Genau wie ich haben sie früh die Schule beendet, allerdings schon nach der 10. Klasse. Ich habe nach der 12. Klasse aufgehört. Patrick hingegen geht noch zur Schule. Er hat noch keine feste Berufswahl gefunden. Vielleicht wird er, wenn er das Abitur gemacht hat, sehen, ob bei der Bundeswehr noch ein Platz frei ist. Hasso hat gute Kontakte. Als Alternative käme auch ein Studium infrage.“
„Es kommt immer so, wie es kommen sollte.“
„Du hörst dich an, wie Großmamá selig. Der Spruch könnte glatt von ihr sein. So jetzt suche ich die Porzellanabteilung auf. Das neue Baby liegt genau auf meiner Blase.“, verabschiedete sich Bobby.
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